Page 10 - Die Ulmer Castorologia
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(15) Vorwort von Francus
Das Werk, das ich heute veröffentliche, ruhte vierzig Jahre lang im Staub eines Kabinetts und wäre dort vielleicht noch länger verblieben, wenn ich es nicht entnommen hätte, um es ans Tageslicht zu bringen. Sollte es nicht so perfekt sein wie es sein sollte, so ist das weniger dem Autor geschuldet, als vielmehr dessen Ableben, das die Vollendung des Werkes verhindert hat.
Marius, der es verfasst hat, wurde in Boll geboren, einer Stadt im Herzogtum Württemberg, die schon lange für den Ge- sundheitswert ihrer Mineralwässer bekannt ist. In seiner Jugend (16) hatte er sich eng an Johann Schultes angeschlos- sen, den herausragendsten Arzt und berühmtesten Chirurg seiner Zeit. Unter seiner Anleitung machte er so bedeutende Fortschritte, dass sie ihm die Ehre des Doktortitels einbrachten. Als Dozent an der Universität für Medizin in Ulm, die damals die meist renommierte nach Augsburg war, praktizierte er einige Zeit als Arzt in dieser Stadt; später jedoch ging er nach Augsburg; dort starb er wenig später ohne Kinder hinterlassen zu haben.
Es gibt sehr viele Zeitzeugen seiner Erfolge als praktischer Arzt; sollte deren Zeugnis nicht ausreichen, so wäre das Ma- nuskript, das er uns hinterlassen hat, mehr als ausreichend, um uns davon zu überzeugen.
Dieses Werk ist, ich weiß nicht, durch welchen Zufall, in die (17) Hände des berühmten Johann Mayer gefallen, und so erbte ich als sein Schüler etwas aus seinem Besitz, so dass ich berechtigt bin, es zu veröffentlichen. Wenn ich es wage, dem Werk meine Anmerkungen hinzuzufügen, so geschieht dies weniger aus Prahlsucht und nicht aus dem Bestreben heraus, Halbgebildete zu belehren, als vielmehr, um denen nützlich zu sein, die sich der Medizin widmen wollen und um die, die das öffentliche Wohl im Auge haben, dazu anzuspornen, Werke, die noch nicht erschienen sind und die einen Beitrag dazu leisten können, die Medizin voranzubringen, zu veröffentlichen. Das ist mein – wie ich meine – keineswegs zu verachtendes Ziel. Ich bin mir wohl bewusst, dass dies nicht die Zustimmung aller gefunden hat; aber sollte ich etwa mit einer Annehmlichkeit rechnen, in deren Genuss nicht einmal Jupiter gelangt ist und nach der ich nicht trachte: Allerdings mache ich mir Hoffnung darauf, dass einige Gelehrte (18) mein Vorhaben begrüßen werden. Ich habe nichts von dem unterlassen, was zur Vervollkommnung dieses Werkes beitragen kann; ich habe – wenn sich die Gelegenheit dazu ergab – über weitere Ursachen der Krankheiten, die ich erwähne, berichtet und habe sie in Beziehung zu den Ge- setzmäßigkeiten des Blutkreislaufs gesetzt.
Was mir zweifelhaft erschien, habe ich ganz genau geprüft und um der Wahrheit auf die Spur zu kommen, habe ich mich sowohl der Vernunft als auch der herrschenden Lehrmeinung bedient. Ich habe so sorgfältig wie möglich die Ent- deckungen der Ärzte – besonders die der Ulmer und der Memminger Ärzte – aufgenommen; diesen habe ich die Entde- ckungen des berühmten Wedel, dessen Schüler ich war, hinzugefügt, – der Überzeugung, – dass der Leser es mir danken wird. Schließlich war ich darum bemüht, nichts Überflüssiges beizutragen; nichts, was (19) nicht zu meinem Thema ge- hört und nicht auf unbestreitbaren Beweisen beruht.
Ich bitte den Leser darum, mein Werk nicht abzulehnen, bevor er es gelesen hat, es beiseite zu lassen, wenn es seine Erwartungen nicht erfüllen sollte; oder es zu verbessern für den Fall, dass sich Fehler eingeschlichen haben sollten; ich werde ihm deshalb nicht böse sein, sofern er sich der Beleidigungen und der Satire enthält und seine Kritik sich auf Vernunft und nicht auf Vorurteil gründet.