Page 11 - Die Ulmer Castorologia
P. 11

1. Abschnitt
Da die große Hitze des Sommers es mir einige Zeit ver- wehrte, Medizin zu praktizieren, beschloss ich, um nicht untätig zu sein, Natur und Eigenschaften des Bibers zu erforschen und zu untersuchen; über diese haben frühere und zeitgenössische Autoren einiges beigebracht sowohl bezüglich des Körperbaus als auch bezüglich der Medi- zin; Dinge, die sowohl nützlich sind als auch geeignet, die Neugier zu stillen.
Um Langeweile zu vermeiden, die eine solche Untersu- chung beim Leser hervorrufen könnte, werde ich sie so kurz wie möglich halten und meine Abhandlung in Ab- schnitte unterteilen. Ich wage es zu hoffen, dass er meine Arbeit umso mehr zu schätzen wissen wird, je größer die Einfachheit in der Wahl der Themen und in der Art sie zu behandeln sein wird, die er entdecken kann.
Anmerkung von Francus (82)
Wenn ich meine Beobachtungen einfüge, so geschieht dies weniger in der Absicht, den Ruhm des Autors zu tei- len und ihn zu kritisieren als vielmehr um sein Werk für diejenigen, die sich dem Studium der Medizin widmen, zweckdienlich zu machen. Obwohl es nicht Neues und auch nichts besonders Geheimnisvolles enthält, will ich doch versuchen, so vorzugehen, dass man mir nicht vor- werfen kann, ich würde das wiederholen, was schon vor mir mitgeteilt wurde. Ich habe Sorgfalt darauf verwendet, im Zusammenhang mit den Fakten, die ich beibringe, den Namen des Autors und des Kranken anzugeben, dazu Tag und Jahr der Ereignisse, damit man mir nicht den Vor- wurf machen kann, ich wollte sie dem Leser aufzwingen.
Es gibt nicht viele Autoren, die Mitteilungen über den Biber gemacht haben; Ausnahmen sind Dioskurides, Sex- tius, Plinius, Rondelet, Bauhin, Gesner und Jonston; aber keiner von ihnen hat eine Spezialabhandlung über dieses Tier verfasst. Ich wage es sogar zu behaupten, dass Marius der Erste in dieser Wissenschaftsgeschichte ist, der dieses Thema behandelt hat; der Titel lautet: Castoreum Physice et (83) Medice consideratum (=Castoreum unter physiolo- gischem und medizinischem Aspekt betrachtet; den Titel Castorologia (= etwa wissenschaftliche Abhandlung über den Biber) habe ich hinzugefügt, weil er überdies über alle Körperteile des Bibers Informationen beibringt.
2. Abschnitt
Auf Lateinisch heißt der Biber Fiber, weil er für gewöhn- lich an Bach- und Flussufern lebt: auf Deutsch wurde das F durch ein B ersetzt, was den Namen Biber ergibt.
Anmerkung
Im Altertum wurde das Ende oder der Rand von etwas Fibrum genannt, und es wird behauptet, dass sich der Name des Bibers von „Flussufer“ herleitet, wo er sich für gewöhnlich aufhält; allerdings scheint mir die Herleitung nicht besser begründet als die, die man vom hebräischen Begriff Peder (= pädär = Fett, Schmer) vornimmt, auf- grund der Körperfülle dieses Tieres.
Die zeitgenössischen Autoren meinen, dass ihm dieser Name nur wegen (84) der Leichtigkeit, mit der er die stärksten Objekte öffnen und aufschlitzen kann, beige- legt wurde; wieder andere behaupten, dass sein Name vom griechischen Begriff Phibros herkommt, weil der Biber eine sehr weiche und sehr kurze Felldecke besitzt. Dies habe ich nur für die Sprachwissenschaftler angefügt; allerdings scheint mir die letztgenannte Herleitung am besten begründet zu sein.
11


































































































   7   8   9   10   11