Peter Pomet: Der aufrichtige Materialist und Specerey-Händler

peter-pomet-der-aufrichtige-materialist-und-specerey-haendler
Kategorie: Historische Darstellungen vor 1900

Der aufrichtige Materialist und Specerey-Händler. (Neudruck der Ausgabe Leipzig, 1717). Peter Pomet Edition Leipzig, 1986, Halbpergament - Oder Haupt- und allgemeine Beschreibung derer Specereyen und Materialien: Worinnen Jn dreyen Classen, der Kräuter, Thiere und Materialien, alles und iedes, womit die Physica, Chymia, Pharmacia und andere hoch-nützliche Künste pflegen umzugehen, begriffen und enthalten ist.


Das 6. Kapitel
Der Biber auf Französisch Castor und Biévre , lateinisch, Castor und Fiber genannt, ist ein vierfüßig Thier, welches unterdie Amphibia, unter diejenigen Thiere gerechnet wird, welche beides im Wasser und auf dem Lande leben, Auf dem Lande nährt er sich von allerhand Früchten, Blättern und Rinden dieser oder jener Bäume, sonderlich der Weiden, in Flüssen aber lebt er von Fischen und Krebsen, die er ertappen kann. Und diese so unterschiedliche Nahrung ist auch Ursache, dass sein hinterer Teil, bis an die Rippen zu einem Fischgeschmack hat, und deswegen an FastTagen dafür pfleget gegessen zu werden; und das übrige schmeckt wie Fleisch welches man nicht brauchen darf, ohne wenn es erlaubt ist Fleisch zu essen.
Der Biber hat schier einen Kopf, als wie ein Murmelthier, doch ist er größer, und nach der Größe seines Leibes wohl proportionieret. Der Leib ist dicke, und fast so groß als ein halbjährig Schwein er ist mit festen und ziemlich großen Zähnen gewaffnet, unter denen die vordersten hauend sind. Der Hals ist des halben Fußes lang, der Leib anderthalb oder zwey Füsse, der Bauch ziemlich kurz, die Füsse insbesonderheit kurz, insbesonderheit die vördersten. Sie vördern Pfoten sehen aus wie Dachsfüsse, die hintern wie Schwanepfoten. Sein Fell ist über und über mit sehr zarten Haaren bedecket, darunter die einen viel länger sind, denn die andern: diese sehen oben als wie Fischotterhaare, untenher aber graulicht, und kommen zum Vorschein, wenn man die längsten ausgezogen hat, und nur das feine weiche stehen lassen, das zu den Castorhüten genommen wird.
Alle Biber haben platte, und zunächst an der Wurzel ausgeschweifte Schwänze, vier Finger breit, einen Zoll dicke, und eine halbe Elle lang: er hat die Gestalt und die Farbe der Schollen, und wird durch starke Gelenke, welche bis in die Spitze mit einander verbunden sind, unterhalten.
Dieweil der Biber wegen seiner starken Zähne gar fürchterlich ist, so scheint es, dass ihnen die Natur deswegen seinen Schwanz dergestalt ausgeschweiffet hat, damit man ihn dabei fahen und binden möge, sich also seiner versichern, und ihn, wohin man wolle, führen könne. Der Schwanz der französischen Biber ist ganz und gar ohne Haare; allein, ich habe ein Fell von einem Danziger Biber in meinen Händen, zusamt dem ganzen Schwanze, den mir ein guter Freund verkauft hat, dessen Haar bedeckt den Schwanz beim Anfange wohl vier bis fünf Zoll weit, das übrige ist ohne Haar.
Ich bin zwar keines Weges gesonnen mich den Herren der königlichen Akademie der Wissenschaften, welche vor einigen Jahren einen Biber, den sie zerlegt, zwischen den Hüften und Schenkeln die kleinen Geburtsgeilen, mit denen zur Erzielung nötigen Gefäßen begleitet, entdecket; wegen derselben Existenz, und ob sie auch in Wahrheit allda zu befinden, mich in einen Streit einzulassen: iedennoch aber, weil ich niemals gesehen, das diese kleinen Geburtsgeilen unter die Materialien wären gerechnet worden, ich auch niemalen etwas anderes für das Bibergeil verkaufet habe, als denjenigen Theil dieses Thiers, welchen die Vorfahren Fibres Testis, die Geilen des Bibers zu nennen pflegten, unbekümmert, ob es wahrhafte Geburtsgeilen wären oder nicht, indem mir nichts daran gelegen; darum will ich allhier eine recht und genaue Beschreibung desselben mittheilen, welche mir auch soviel nötiger zu sein beduncket, alldieweil mir kein einziger Teil von einem Thiere bekannt ist, der sehr verfälschet wurde, als dieser.
Man heißet demnach Castroreum, das Bibergeil, dass fleischichte Wesen, welches zu unterst in zweyen nicht dazu großen, einander gleichenden und unterschiedenen Säcklein aufbehalten wird; welche Säcklein eines dem andern zur Seite liegt, und von einem ihnen beyden gemeinen, etwas größeren Säcklein bedecket werden. Dieses Säcklein, so dem Thiere unter dem Gesäße
zwischen den Schenkeln angeheftet ist, wird von der gemeinen Haut, welche den ganzen Bauch überziehet , verdecket. Jene aber sehen von außen, wie zwey Eber_ oder wilde Schweinsgeilen aus, und man kann sie, obgleich sie gleich inwendig liegen, dennoch durch die Haut unterscheiden, ja gar mit der Hand fühlen, wie wohl sie nicht, als wie bey andern Thieren, herabhängen. Wann nun das erste rauhe Häutlein zerschnitten worden, findet man das erste gemeine Säcklein, und in diesem die zwey von einander gesonderten beiden kleineren, welche, eines wie das andere, Materie, das Bibergeil genannt, enthalten, und beide zusammen die zwey rechten Geilen des Tieres vorstellen.
Man schlägt diese zwey Säcklein, in dem Stande, wie man sie antrifft, zu binden, und in den Rauch zu hangen, sie auch allda so lang lassen, sie recht und wohl getreuget, und die darin der befindliche Materie ganz harte worden, dass äußere Säcklein aber eine braune Farbe bekommen hat.
Wenn hierauf die inneren Säcklein eröffnet werden, findet man zuunterst an einem jedweden ein fleischlichtes und dichtes Wesen, das sich zu Pulver stoßen lässt, an Farbe dem Canele gleichet, und mit überaus zarten Fäslein durchzogen und durchschnitten ist, auch einen über alle Maßen starken Geruch hat. In einem jeden von diesen beiden kleinern Säcklein, ein wenig über der fleischichten Materie, ist noch ein absonderliches Säcklein oder Beutel befindlich, welcher aber viel kleiner ist, und an dem obigen hanget, von welchem er auch umschlossen wird.

Digitale Edition Deutsches Textarchiv

Ausstellungsobjekt Vitrine x