Page 4 - Die Ulmer Castorologia
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bergeil zur sexuellen Stimulation des „erkalteten Manneszeuglein“ zu nutzen, sucht man in der Castorologia vergeblich. Doch das Inhaltsverzeichnis des Buches offenbart ohnehin schon eine erstaunliche Vielzahl von Krankheiten, die mit der Heilkraft des Bibers vorgeblich kuriert wurden.
Um die Wirkungsweise und Kraft tierbasierter Medikamente einschätzen zu können war es aus damaligem medizini- schen Verständnis unabdingbar, sich mit Lebensweise und Charakter eines Tieres auseinanderzusetzen. Als das Buch erschien, gab es jedoch – wie der Verfasser betont – im weiten Umkreis um Ulm nahezu keine Biber mehr, es sei denn sie wanderten aus dem österreichischen Donaugebiet ein. Wie viele seiner Zeitgenossen sitzt Franc daher auch dem klassischen Irrtum auf, Biber würden sich auch von Fischen und Krebsen ernähren.
Die Übersetzung der Castorologia
330 Jahre nach der Veröffentlichung der Castorologia im Jahre 1685 legt der BUND aus dem Erkenntnisinteresse
von Naturschützern erstmals eine ausführliche deutsche Übersetzung des Textes vor. Grundlage ist eine 1746 aus dem lateinischen ins französische übersetzte Pariser Ausgabe, die um einen umfangreichen Kommentar des französisch- kanadischen Chirurgen und Naturwissemschaftlers Michel Sarrazin erweitert wurde. Während im alten Europa der Biber immer seltener wurde, hatte sich die Kolonialmacht Frankreich große Teile der biberreichen Gebiete Nordamerikas vom heutigen Kanada bis zum Golf von Mexiko gesichert. Doch die Hoffnung, den höchst einträglichen Pelzhandel mit der Verschiffung großer Mengen Bibergeil zu krönen, sollte sich nicht erfüllen, denn das Castoreum des kanadischen Bibers wurde in europäischen Medizinerkreisen gering geschätzt. Die Handelsbeziehungen mit Paris dauern jedoch bis heute an, denn französische Edelparfums werden weiterhin mit dem stimulierenden Duftstoff Castoreum veredelt.
Danksagung
Wir danken Sibylle Schol, die sich mit viel Engagement der Herausforderung der Übertragung dieses anspruchsvollen historischen Textes gestellt hat. Unterstützt und in medizinischen Fragen beraten wurde sie von Rosi Schol. Unser Dank geht ebenso an das Stadtarchiv Ulm, das uns bei der Recherche der Lebensdaten von Johannes Mayer und Johann Franc behilflich war. Die Ulmer Stadtbibliothek ermöglichte uns freundlicherweise die Wiedergabe von Originalseiten der Castorologia auf der Grundlage des dort vorhandenen historischen Exemplars.
Zur freundlichen Beachtung
Die Seitennummern der französischen Ausgabe, die die Grundlage der Übertragung ins Deutsche bildete, wurden in Klammern gesetzt. Die Übersetzerin hat gelegentlich eigene Anmerkungen zum besseren Verständnis des Textes in Klammern gesetzt. Die Übertragung einiger Seiten der Vorrede und des Anhanges ist unterblieben.
Wenn Ihnen Fehler bei der Übersetzung oder Ungenauigkeiten dieser ersten Auflage aufgefallen sind, oder Sie einen Beitrag zur Weiterentwicklung leisten wollen, würden wir uns über eine Email an
castorologia@biberausstellung.de freuen.
Aus Gründen der besseren Übersichtlichkeit wurden im folgenden Text die Passagen der beiden Autoren farblich von- einander abgesetzt. Die grau unterlegten Blöcke kennzeichnen das Ursprungsmanuskript von Johannes Mayer (Marius). Die Anmerkungen wurden von Johann Franc (Francus) hinzugefügt. Die Rezepturen sind von einen Rahmen umgeben.
Diese Veröffentlichung erfolgt aus Gründen der historischen Dokumentation und stellt keine Empfehlung zur Nachah- mung dar. Der BUND distanziert sich von Aussagen zur Wirksamkeit der in dieser Rezeptsammlung aufgeführten Medi- kamente und Therapien. Einige Ingredienzien wie zum Beispiel Quecksilber, die damals bedenkenlos zum Einsatz kamen, führen zudem zu gefährlichen Vergiftungen.


































































































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