Pedanios Dioscurides aus Anazarbos in Kilikien (Kleinasien) (1. Jahrhundert) war ein griechischer Arzt, der als Militärarzt unter den Kaisern Claudius und Nero im römischen Dienst stand. Er ist der berühmteste Pharmakologe des Altertums.
Arzneimittellehre des Pedanios Dioskurides aus Anazarbos in fünf Büchern
übersetzt und mit Erklärungen versehen von
Prof. Dr. J. Berendes
Stuttgart
Verlag von Ferdinand Enke
1902
Cap.26 Hoden des Bibers
Der Biber ist ein Amphibienthier, welches sich meist im Wasser mit den Fischen und Krebsen aufhält, dessen Hoden auch gegen Schlangen wirkt. Er (der Hoden) erregt aber auch Niesen, und dient überhaupt mannigfaltigem Gebrauche. In der Menge von zwei Drachmen mit stinkendem Polei genommen befördert er die Menstruation, treibt den Fötus und die Nachgeburt aus. Mit Essig wird er getrunken gegen Blähungen, Krämpfe, Schlucken, tödtliche Gifte und gegen die Mistel 1). Mit Essig und Rosenöl als besprengung und Riechmittel regt er die Schlafsüchtigen und die auf welche Art auch immer (ähnlich) Befallenen an. Als Räuchermittel wirkt er in derselben Weise. Innerlich und äußerlich angewandt (getrunken und eingerieben) ist er ein geeignetes Mittel bei Zittern, Krämpfen, und bei jedem nervösen Zustande, überhaupt hat er erwärmende Kraft. Suche aber stets die gepaarten hoden eines und desselben Ursprunges; denn es ist unmöglich, zwei Säckchen in einer Hülle zu finden. Der Inhalt ist wachsartig, durchdringend und bocksartig riechend, scharf, beissend schmeckend, leich zerreiblich, mit natürlichen Häuten vielfach durchsetzt. Einige verfälschen denselben, inden sie Ammoniacum oder Gummi mit Blut und Bibergeil zusammen verarbeiten, es in ein Beutelchen geben und trocknen. Fälschlich aber wird erzählt, dass das verfolgte Thier die Hoden abreisst und wegwirft; denn es ist nicht möglich, dieselben zu erfassen, da sie platt anliegen wie beim Schweine. Diejenigen, welche das Fell abziehen, müssen sie mit der Hülle, welche die honigfarbige Flüssigkeit einschliesst, wegnehmen, sie so trocknen und aufbewahren.
1) ist Viscum album L. oder Loranthus europaeus L.
D. wie die Alten überhaupt hatten die falsche Ansicht, welche sich bis zu den zeiten des späten Mittelalters erhalten hat, das castoreum seien die Hoden des männlichen Bibers, erst Bondeletius, Arzt und Naturforscher des 16. Jahrh., klärte den Irrthum auf.
Die birnförmigen, etwas abgeplatteten, mit den schmalen Enden zu zwei verbundenen unbehaarten Beuteln liegen sowohl beim Männchen als auch beim Weibchen unter der Vereinigung der Schambeine und münden gemeinschaftlich in den Vorhautkanal bezw. in die Scheide. Sie befinden sich innerhalb des Körpers und sind daher nicht sichtbar wie beim Moschus. Den Zweck der Substanz für den Lebensprocess des Thieres kennt man nicht. Die Wand der Beutel wird durch zwei derbe, zähe Häute gebildet, eine dritte durchsetzt das innere in mannigfaltiger Richtung und bildet so verschiedene Fächer, welche mit dem im frischen Zustande salbenartigen, röthlichgelben, getrocknet aber festen, braunen, zerreiblichen Bibergeil, dem von der Vorhaut bezw. der Clitoris abgesonderten Smegma angefüllt sind. Der Geruch ist eigentümlich scharf, juchten- und carbolartig, der Geschmack bitterlich, scharf. Die Bestandtheile sind größtentheils Harz, etwas ätherisches Oel, Cholesterin, Castorin, ein Fett, Carbolsäure, Albumin, kohlensaure und andere Salze.
Man unterscheidet das russische Bibergeil, Castoreum sibiricum oder moscovitum, das beste und theuerste, in mehr rundlich-eiförmigen Beuteln, welche in der Mitte eine Höhlung haben, und das englische oder amerikanische Bibergeil, C. canadense, in mehr länglichen, schmalen, kleineren und dunkleren Beuteln, welche von der Substanz vollständig gefüllt sind. Das Gewicht schwankt zwischen 60 und 120g.
Plinius VIII 109 erzählt dieselbe Fabel von dem Abbeissen der Hoden durch das Thier selbst, schreibt dem Castoreum XXXII 68sqq. eine vielfache Wirkung zu.
Das Castoreum war früher ein beliebtes Antihystericum; es verschwindet aber mehr und mehr aus dem Arzneischatze.
Der Biber, Castor Fiber L., lebt jetzt nur noch an wenigen Orten Deutschlands, besonders an der Elbe, häufiger ist er in Russland und Sibirien. Die Biber bauen in Gesellschaften künstliche Wohnungen dicht am Wasser und nähren sich von zarten Rinden und anderen Pflanzenteilen (nach Leunis)
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