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Zur Reform der Medicin 1850

Zur Reform der Medicin. Von Professor Mayer in Bonn,‪
in: Rheinische Monatsschrift für praktische Ärzte‬, Band 4, herausgegeben von den Directoren der klinischen Anstalten der Königlichen Rhein-Universität, 1850

Zur Reform der Medicin.

Von Professor Mayer in Bonn,
(Schluss s. d. August-Hefte 1849.)

Wie wird die Medicin den Namen einer reinen ErfahrungsWissenschaft sich aneignen, wenn der Arzt nicht an dem Kranken die reinen Wirkungen der Arzneimittel auf denselben zu erforschen sucht! Dieses Studium ist aber nur möglieb, wenn er einfache, nicht zusammengesetzte Arzneien dem Kranken reicht. Gibt er aber Composita, so neutralisiren sich dieselben entweder chemisch oder physiologisch in ihrer Reaction auf einander, oder in der Reaction der durch sie in dem Körper hervorgerufenen organischen Processe. Es ist daher gegen alle chemischen und physiologischen Grundsätze anstossend, zwei Arzneien oder gar mehre zugleich zu geben. Man kann, will man verschiedene Wirkungen hervorbringen, verschiedene Arzneien geben, aber nicht zugleich, sondern nach einander. Gewöhnlich liegt der Anwendung solcher Composita eine schlechte Diagnose zu Grunde, und der Arzt greift blindlings in den Arzneisack, und um sicher zu sein, das X seiner Diagnose zu treffen, schiesst er mit seinem Pfeile nach allen möglichen Seiten hin. Noch strotzen die Recepte englischer Aerzte von solchen seitenlangen Ingredienzien, aber ein rationeller Arzt dürfte so etwas nicht nachahmungswerth finden! Es soll erste und heilige Regel für den Arzt sein: Wenn Du nicht weisst, was Du durch das gereichte Mittel für eine Wirkung in dem Kranken hervorbringen kannst, so darfst Du es gar nicht anwenden, wenn Du je ein Gewissen hast!

Zweitens will ich beantragen, mehre bisher in dem ArzneiVorrathe prangende sogenannte heroische Arzneien, theils wegen ihrer nur vorgeblichen und nicht factisch erwiesenen Wirksamkeit, wegen ihres ganz falschen Rufes also, und theils


wegen der an ihnen so häufig vorkommenden Verfälschungen, aus demselben für immer zu verbannen. Dahin rechne ich zuvörderst das Castoreum, den Moschus und die Ambra. Das Caatorenm. Zu den Arzneimitteln, welche nur dem Aberglauben an Wunderkraft ihre Anpreisung und ihren Ruhin verdanken, scheint mir vorzugsweise das Castoreum zu gehören.

Diese, fälschlich „Bibergeil" genannte, Fettsubstanz der Talgdrüsen der Cloake oder des Rectums verdankt wohl ihren Ruhm nur der Unwissenheit, welche in ihr die Samen-Substanz des Bibers vermuthete, da dieselbe, als Hautschmiere der Cloake, mit der Absonderung der Samen-Substanz in keiner Beziehung steht, indem diese Drüsen ohnehin ja beiden Geschlechtern des Thieres zukommen. Abgesehen sei hierbei von den Verfälschungen, welche sich, bei dem hohen Preise von 40—60 Thaler per Pfund, die Gewinnsucht erlaubt! Welche Geldverschwendeng für den Kranken!

Um meinen Antrag auf Ausstossung des Castorcums aus dem Arznei-Vorrathe zu begründen, werde ich für mich die chemische Analyse desselben, die Beobachtung Überseine Wirkung am Krankenbette und die Beobachtung seiner Wirkung auf den gesunden Körper sprechen lassen.

Die chemische Analyse des Castoreums angehend, steltt sich diese bei den zwei verschiedenen Sorten desselben, dem Castoreum russicum und dem Castoreum canadense, etwas verschieden heraus.

Nach Brande's Analyse zeigt das russische im Gegensatz gegen das americanische Castoreum folgende Bestandtheile: Castoreum canadense. Castoreum russicum.

Flüchtiges Oel 1,00 2,0

Harz 13,58 58,6

Castorin 0,33 2,5

Kohlensauren Kalk 33,62 2,6

Haut 20,00 3,0

Das canadische Castoreum zeigt sich an animalischen HauptIngredienzien in dieser Analyse bei Weitem ärmer, als das sibirische, was allerdings damit übereinstimmt, dass es für weniger wirksam gehallen wird, obwohl darüber bestimmte Erlahrungen fehlen. Allein diese Differenz der Analyse erklärt sich hier einfach dadurch, dass bei dieser Analyse von Brandejdcm canadensischen Castoreum ein grosser Theil häutiger Substanz (20,0) beigemischt war, woher wohl auch der grosse Gehalt von kohlensaurem Kalk rühren mochte; während das russische Castoreum relativ mehr Safttheile und nur 3,0 häutige Theile enthielt. Es ist daher durch diese Analyse wenigstens nicht absolut erwiesen, dass das russische Castoreum mehr flüchtiges Oel und mehr Castorin enthält. Zudem ist die Differenz ja doch nur unbedeutend, da der Bestand selbst so gering ( 1—2 pCt.) ist.

Nach den neueren chemischen Untersuchungen von Lehmann (Froriep's Notizen, März 1849, Nr. 183) stellt sich diese Differenz der chemischen Analyse der verschiedenen Sorten von Castoreum bedeutend geringer:

Deutsches. Russisches. Canadisches

Aether-Extract 7,4

Alkohol-Extract 67,7

Wasser-Extract 2,6

Kohlensaurer Kalk 14,2

Eiweissartige Substanz 2,4

Epitheliuin und Membrane ... 5,7

In Erwägung nun, dass das flüchtige Oel des Castorins in so geringer Menge darin vorkommt, dass ihm eine plausible Wirkung nicht wohl zugeschrieben werden kann; in fernerer Erwägung, dass das Hnrz desselben auch anderen thierischen Secreten, namentlich der Galle, zukommt, von welcher keine analoge Arzneiwirkung sich je herausgestellt hat; in Erwägung drittens, dass das sogenannte Castorin kein dem Castoreum eigenthümlicher Stoff, sondern, wie Lehmann zeigte, ein unverseifbares Fett ist, welches in vielen anderen TalgSecreten der Haut, namentlich in allen Vorhauts-Secreten vorkommt; und endlich, dass die im Castoreum vorkommenden Säuren und Salze auch in anderen Secreten sich vorfinden: lässt sich eine plausible speeifische -Wirkung des Castoreums auf diese Analyse nicht basiren.

Wenden wir uns nun zu dem zweiten Puncte unserer Prüfung über dic^Wirksamkeit des Castoreums, zu seinem Rufe in der Geschichte der Materia medica, so muss allerdings zugestanden werden, dass ihm von den ältesten Zeiten her eine grosse Wirksamkeit in Nerven-Krankheiten zuerkannt wurde. Allein was wurde in diesen Zeiten nicht alles als Arzneimittel angewendet und angepriesen! Ich erinnere nur an Mittel wie Cranium humanuni (Henault), Dentes humani pulverisati (Eph. N. C. D. II. A. 17. obs. 122.), Sanguis hominis (Celsus), Sanguis felis mustelae, Testiculi asini (Gesner-Paullint), Cor lupi u. s. f., durch welche man namentlich die heftigste der Nerven-Alfectionen, die Epilepsie, wollte geheilt haben.
[table]

Schon sehr früh war das Castoreum in der Medicin angewendet.

Hippokrales (De morbi epidem. Lib. 70, Art. 50) gab bei einer älteren Frau, die an Bluterbrechen und Krämpfen litt (cruentarum vomitionum rejeetiones et ad cor contraeta strangulatio), Castoreum mit Kümmel und Granatäpfel-Saft. Wahrscheinlich hat Hippokrates diese Substanz von den Skythen, mit deren Krankheiten und Heilmitteln er bekanntlich sich sehr vertraut gemacht hatte, erhalten und bei Weibern (v. d. Morb. mulierum, L. 2, Art. 77, quum utero strangulato laborant mulieres) angewendet.

Galen (De antidotis, Lib. II, pag. 451) sagt bloss, dass die Empiriker das Castoreum gegen den Biss aller giftigen Thiere, gegen die heftigsten Schmerzen und Strangulation des Uterus empfehlen, ohne, wie es scheint, eigene Erfahrung für dessen Wirksamkeit gehabt zu haben.

Die Zeugnisse von Plinius, Avicenna, Aretaeus Capadocius dürften nur ein Gewicht haben, wenn es erwiesen wäre, dass in den von ihnen erwähnten Fällen das Castoreum rein und allein gegeben worden, was, wie bei den meisten neueren Beobachtungen, nie der Fall war.

Den meisten Ruf hat das Castoreum in der Behandlung der Hysterie erlangt. Allein auch hier sprechen viele Stimmen dagegen, welche wir sogleich anführen wollen. Wer aber erwägt, dass die Hysterie eine eigentlich durch Arzneimittel unheilbare, nur durch Melaschematismus der sexuellen Temperatur des Nerven-Systems heilbare Krankheit ist, dass temporäre Unterdrückung der Krämpfe nur die spätere Wiederkehr derselben in verstärktem Grade bewirkt: der wird hier überhaupt nur solche Arzneien anwenden, welche als starke Reize die Lebens-Erregung unter dem Tumult der Krämpfe noch wach erhalten, wozu das Castoreum aber nicht hinreicht.

Ich erwähne nun der gewichtigen Namen, welche dem Castoreum alle notable Wirksamkeit in Nerven-Krankheiten und namentlich in der Hysterie absprechen. Schon Ricinus, Juncker und Ernest Stahl verwarfen den Gebrauch des Castoreums, namentlich wegen seiner ekelerregenden Wirkung. Zwelferus (Pharm, rep. p. 65) verpönt die Anwendung des Castoreums in allen Krankheiten des Uterus. Sydenham beschränkte seinen Gebrauch bloss zum Riechen, wie Asa foetida. Trallianus (Lib. 1, p. 387) will es gar nur als Amulel (gegen den Keichhusten) gebraucht wissen! Vogel (Histor. mat. med, A. 1758, p. 352) hält es selbst in gewissen hysterischen Krankheiten für schädlich und nachtheilig, welchen Vorwurf es gewiss so wenig, als die Anpreisung seiner Wirksamkeit verdient. Auch Whytt (L. 1, p. 368) sagt, dass seine Kräfte nur gering anzuschlagen seien. F. Home (Gin. exp. Lond., 1782. p. 196) fand es in Frauen-Krankheiten wenig wirksam. Diesen Zeugnissen könnten noch viele andere neuerer Zeit hinzugefügt werden, als von Mönch (Syst. Lehre der Arzneimittel), Hörn, Pereira (Heilmittel-Lehre, S. 890) und Anderen. Thouvcnel sah bei schwächlichen Frauen die Krämpfe durch den Genuss des Castoreums selbst heftiger werden! Wie wenig Effect er von demselben übrigens erwartete, erhellt daraus, dass er ganz grosse Gaben desselben von zwei Drachmen bis zu einer halben Unze zu verordnen räth. Wenn Meissner ihm die Kraft zuschreibt, gegen Aftergebilde des Uterus specifisch zu wirken, so hat wohl Meissner nie in seinem Leben Aftergebilde des Uterus gesehen, welche so leicht schmelzbar nicht sind. Sind aber auch zuverlässige Erfahrungen über die Wirksamkeit des Castoreums in Nerven-Krankheiten in den Schriften der Aerzte aufgezeichnet, so sind es solche Fälle, in welchen es nicht allein, sondern mit anderen evident wirksameren Arzneien in Verbindung gegeben wurde, namentlich mit Ammonium, Camphor, ätherischen Oelen, Naphtha u. s. f. Hieher gehören die Beobachtungen von de Haen (Rat. med. V. III, p. 214) und von E. Horn. Morris (Account of med., obs. VIII, p. 281) Fand das Castoreum in der Tussis convulsiva seiner Kinder wirksam; aber er gab es mit Cortex peruvianus, dem wohl die Wirkung zugeschrieben werden muss. Die Tinctura castorei composita, welche so häufig angewendet wird, enthält ebenfalls viele andere heftig wirkende Ingredienzien.

Dass das Castoreum nur von wenigen Frauenzimmern vertragen werde, ist eine von Vielen gemachte Erfahrung.

Wenn Jahn (Mat. med.) (ubrigens ein schätzbarer Beobachter) anführt, dass robuste Bäuerinnen das Castoreum besser vertragen, am wenigsten dagegen zarte, schwächliche Damen, so ist dies wohl ein Zeugniss, dass es ganz unnütz sei und dass der Magen robuster Bauernmädchen diesen Unrath besser zu verdauen im Stande ist, als jener von Damen.

Merkwürdig ist, dass Hahnemann (freilich in den früheren Tagen, in seinem Intervallum lucidum) nur von starken Gaben des Castoreums in krampfhaften Krankheiten Wirkung sah; doch sei dessen Effect unsicher, und sicherer der der zusammengesetzten Castoreum-Tincturü Ueber diese Sätze wird er wohl später selbst den Stab gebrochen haben!

Welche Wunderkräfte aber die Anhänger der Homöopathie dem Castoreum zuschreiben, geht aus einer Stelle der homöopathischen Arzeimittel-Lehre hervor, in welcher folgende hochwichtige Symptome auf den Gebrauch desselben eintreten: Reissen im linken Ohr oder an der rechten Muschel, Zucken an der linken Muschel, nicht durch Kratzen zu tilgen!! Das heisst doch die Wissenschaft zu Lächerlichkeiten herabwürdigen!

Noch erwähne ich, dass es nach Einigen ein Antidotum des Opiums abgebe, welche Meinung aber bereits von Trolles widerlegt worden ist.

Ich gehe endlich zu den Versuchen, welche über die Wirkung des Castoreums am gesunden Menschen angestellt worden sind, über, welche ebenfalls die völlige Nullität dieses thierischen Auswurf-Stoffes in dieser Hinsicht darthun.

Alexander (Med. Versuche und Erfahrungen, a. d. Engl. Leipzig, 1773, p. 62) spricht sich ganz entschieden gegen die Wirksamkeit des Castoreums aus, indem er an sich selbst bei dem Genusse desselben weder eine Vermehrung der Puls


Schläge, Jioch Erhöhung der thierischen Wärme wahrnehmen konnte. Er nahm das Castoreum in mehren Dosen von '/2 bis zu 2 Drachmen ein. Aber auch in dem letzteren Falle konnte er durch das Thermometer, welches er an die Herzgrube applicirte, weder wahrnehmen, dass in der thierischen Wärme seines Körpers ein Unterschied Statt fand, noch dass die Zahl der Pulsschläge sich vermehrte. Er würde nicht einmal gemerkt haben, dass er Castoreum eingenommen habe, wenn er nicht davon Aufstossen, welches jedoch nur gering war, verspürt hätte. In neueren Zeiten wurden die Versuche von Jörg (Materialien zu einer künftigen Heilmittel-Lehre, lr Bd., S. 274, Heft III), dessen Bestrebungen, die Arzneimittel-Lehre auf dem Wege des Experimentes zu begründen, alle Anerkennung von Seiten rationeller Aerzte verdienen, wiederholt. Er gab das Castoreum sechs verschiedenen Individuen, männlichen und weiblichen, und nahm es selbst ein. Die Dosen stiegen von einem Gran zu zehn Gran und bis zu einem Scrupel. Er konnte aber, ausser dem Aufstossen, weder von den geringeren, noch von den letzten stärkeren Dosen irgend eine, Einwirkung auf das Darm-System, das Gefäss-System und das Sensorium, überhaupt in keinem Theilc und Organe des Körpers, weder in dem Pulse, noch in der Stuhlausleerung, in dem Urin und in der H^ut-Ausdünstung irgend eine durch das Mittel erzeugte Veränderung wahrnehmen.

Es schien mir jedoch nicht überflüssig zu sein, diese Versuche noch einmal zu wiederholen, und zwar mit grösseren Gaben des Castoreums, als Jörg angewendet hatte. Eine Gabe von V2 Drachme bewirkte bei mir nur unangenehmes, ekethaftes Aufstossen. Zwei meiner fleissigsten Schüler, die Herren Stud. J. König und Nöggerath, unterstützten mich gefälligst bei diesen Experimenten. Sie nahmen das Castoreum Anfangs in der Dosis einer halben, später einer ganzen Drachme Morgens nüchtern.

Das Aufstossen war stark und unangenehm, mehr bei dem moskowitischen, als bei dem canadischen Castoreum. Es verlor sich nber nach der ersten Mahlzeit. Eine Vermehrung der Pulsschläge und der Atheinzüge wurde nicht wahrgenommen. Der Stuhlgang erfolgte darauf regelmässig. An dem Urin war kein Castoreuin-Ceruch wahrzunehmen.

Da somit die chemische Analyse, die Erfahrung am Krankenbette und das Experiment am gesunden Körper die völlige Unwirksamkeit des Castoreums erweis't, so ist wohl dieser ekethafte thierische Auswurfs-Stoff aus dem Arznei -Vorrathe gänzlich zu verbannen, um so mehr, als sein Preis so hoch und seine Verfälschung so häufig vorkommend ist.

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