Adam Lonitzer (Lonicerus) (* 10. Oktober 1528 in Marburg; † 29. Mai 1586 in Frankfurt am Main) war ein deutscher Naturforscher, Arzt und Botaniker.
Lonitzer, Adam / Uffenbach, Peter/ Ehrhart, Balthasar:
Adami Loniceri Vollständiges Kräuter-Buch, und künstliche Conterfeyungen der Bäumen, Stauden, Hecken, Kräutern, Geträyde, Gewürtzen etc. mit eigentlicher Beschreibung deroselben Namen in teutsch- griechisch- lateinisch- frantzösich- italienisch- und hispanischer Sprache ; wie auch deren Gestalt, natürlicher Krafft und Würckung ; samt außführlichem Bericht von der Kunst zu destilliren ; wie auch Bauung der Gärten, und Pflantzung der Bäumen ; ingleichen von den fürnehmsten Thieren der Erden, Vögeln, Fischen und Gewürmen und dann auch von Metallen, Ertz, Edelgesteinen, Gummi und gestandenen Säfften ...
Ulm 1737
Bieber / Castor, Biebergeil, Castoreum, Cap.35.
Nahmen
Der Bieber heißt auf griechisch xxxx Lateinisch castor, Französisch Bieure, Italienisch Bivaro, und Hispanisch Biuaro o Bivero.
Ist ein Thier wie ein Meer-Hund, lang und schwanck, hat fast scharffe Zähne, eine köstliche edle Haut, welche, je schwärzer sie ist, je fürtrefflicher sie gehalten wird, hat sonsten eine graue Farb wie ein Dachs, aber sein Haar ist subtiler und schöner.
Seine hintere Füß seynd wie an einer Ganß zugewachsen, die fördern als wie Hunds-Füß. Die Biber gehen mit einander in die Wälder, und mit ihren Zähnen hauen sie Holz ab, tragen es wunderbarlich zu ihren Löchern. Werffen alsdenn ihrer eines nieder auf den Rucken für einen Wagen, die Füsse über sich kehrend, und legen das abgebissene Holz künstlich zwischen seine Beine, und ziehen es also beym Schwantz bis in ihre Höhlen. Brauchen die Rinde zur Speiß, und machen auß dem Holz künstliche Wohnungen.
Der Biber lebt in- und auß dem Wasser, ist doch mehr im Wasser, dann er sucht seine Nahrung im Wasser von Fischen. Hat zween Geilen, die schneidet man ihm ab, daran hanget eine Feuchtigkeit, wie Honig. Diese trucknet man am Schatten, vorhin wohl gereiniget, und gewaschen, und werden offt in mancherley Weise verfälscht.
Deß Bibers Geilen abgeschnitten, werden an einer tunkeln schattichten Stätte gedörret, aufgehenckt, und zu der Arzney gebraucht, dem Castoreum, oder Biber-Geilen genannt.
Diß Thier weiß auch, daß man ihm von seiner Geilen wegen fürnemlich nachstellet, derohalben, wenn man es jagt, reißt es ihm seinen Geilen selbsten auß, und wirfft sie von sich, wie man von ihm schreibt.
Der Schwantz ist einer queeren Hand breit, dreymahl so lang, und mit einer schuppichten Haut überzogen, und kan solches Thier nicht leben, es habe dann den Schwantz im Wasser. Es hat kleine und runde Ohren, ein grausam Gebiß, und sehr scharffe, breite und starcke Zähne, welche im obern und untern Kiffel weit hervor gehen, und unter denselbigen vornen zween Nag-Zähne, wie alle Mäuß. Die obern gehen fast anderthalb Finger hoch vor dem Kiffel herauß die im untern aber noch so weit.
Seynd wie ein Messer hohl außgeschliffen, und mit diesen Zähnen nähren sie sich, und hauen etwan ganze Bäume eines Schenckels dick damit ab, und schlagen dieselbige auch Zweifels ohn wie Hacken in die Fische. Haben am Maul gleichsam einen bart, haben einen langen Leib, an welchem fast nichts, als der Bauch, dannerhers, sie denn von etlichen das Bauch-Thier genennet.
Dieses Thier findet sich in fast allen Landen, jedoch am allerliebsten, wo viel und grosse Wasser sind, und wo die wasser still und langsam lauffen, und viel Lettes haben, da halten sie sich am allermeisten auf, hat von den Fischen und und Krebsen seine Nahrung, und macht auch sein Nest von den abgehauenen Reisern an dem Ufer und Gestad, gräbt von oben hinabwerts, und bauet etwan zwey, drey oder vier Gemach über einander/ dren das unterste gleich halb auf das Wasser reicht, die andere aber über dem Wasser, und in der Truckne sind, und wann das Wasser zunimmt, begibt es sich je mehr und mehr zu dem obersten zu. Nimmt aber das Wasser ab, so wandert es von einer Staffel zu der anderen wiederum hinab , damit es mit dem vordern Leib im Truckenen, mit dem untern aber allezeit im Wasser bleiben möge.
Krafft und Würckung.
Die Bibergeil währet sieben Jahr unversehret an ihrer Krafft. Das innerste soll in der Arzney genutzt, die Häute aber hinweg geworffen werden. Ist hitzig im dritten, und trocken im andern Grad. Mit Rauten und Essig gemischt, in die Nase gelassen, stärket sie das Hirn, und benimmt das Hauptwehe.
Bibergeil mit Wein getrunken, ist für den fallenden Siechtagen gut, und dienet zu allen Seuchen, so von Kälte kommen.
(Zungen-Lähme, oder Schlag, Gicht, Krampff, Frauenzeit)
Wem die Zunge erlahmet, daß er nicht reden kan, der nehme gepulvert Bibergeilen / lege es darunter, es hilfft gewiß.
Fürs Gicht am Leib, nimm Bibergeilen, siede sie mit Wein, und schmiere dich an derselbigen stets, es hilft.
Bibergeile benimmt den Krampff durch Krafft ihrer Hitz. Mit Pfeffer und Honig-Wasser genossen, bringet sie der Frauen ihre Zeit,treibet die todte Geburt auß, ist gut den lahmen und gichtigen Gliedern, sie damit geschmieret. Mit Wein getruncken, vertreibet sie alle Fieber, erwärmet die erkalte Natur, ist gut allen Kranckheiten, so von Kälte kommen, aber was von Hitze ist, darzu ist die Bibergeil nichts nutz, sondern vielmehr schädlich.
(Schlaffsucht)
Wider die fallende Sucht, und andere kalte Siechtagen deß Haupts, gibt man Castoreum mit Rauten Safft im Tranck, oder den Wein seiner Kochung ein.
Wider den Schlag deß ganzen Leibs, den Wein damit gesotten, mit Rauten und Salbey zu trincken.
Wider Vergessen und Schläfferigkeit, macht man mit Castoreo niessen, es stärket und bewegt das Hirn.
(Zittern, Blähen deß Magens, Wassersucht, Taubsucht)
Castoreum macht hitzig, trucknet und läutert, ist derowegen den jenigen, so auß Fülle den Krampff leyden, oder das Zittern der Adern haben, sehr bequem. Bessert auch die Schäden der Lungen, und die Feuchtigkeit des kalten Hirns, mit Poley getruncken, aber mit Wein getruncken, vertreibt es das Blähen. Damit geschmieret und gesalbet, benimmt es das Zittern und Lähme, unter Salben und Sänfftigung vermischt, und heilet die Wassersucht.
Bibergeil dienet der Vergessenheit und Schläfferigkeit, mit Essig und Rosen-Oel an die Schläff gestrichen, ist für kalte Taubsucht, und auch das Thönen der Ohren.
Sein Rauch durch die Nase an sich gezogen, heilet die Geschwär und Sucht der Lungen. Benimmt das stechende Bauchwehe, mit Essig getruncken, vertreibt die Bläst im Leib, bringt der Frauen Zeit, treibt die Nachgeburt herauß, und heilet die Biß der gifftigen Thiere.
Bibergeil ist zu vielen Dingen gut, und seine Feißtigkeit ist zu den fallenden Siechtagen sehr berühmt.
Bibergeil-Oel.
Bibergeil-Oel , wie solches in den Apothecken bereitet wird, dienet zu allen kalten Gebrechen der Glieder, der Nerven und Glaiche, für die Lähme, Krampff und was dergleichen Gebrechen von Kälte sind, die Glieder damit gerieben. Stillet und legt das hefftige Frieren und Zittern in den Fiebern, den Ruckgrad damit gerieben.