Georg A: Mercklein: Neu außgefertigtes historisch-medizinisches Thier-Buch 1714

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Kategorie: Historische Darstellungen vor 1900

Neu außgefertigtes historisch-medizinisches Thier-Buch. in vier Theilen; deren handelt I. Von vierfüssigen Thieren; II. Von Vögeln; III. Von Fischen; IV Von allerley Ungezieffer. Enthaltende wider fast alle Kranckheiten heilsame Secreta und Geneß-Mittel. Georg A. Mercklein 1714


Das III. Cap.

Biber.

Wird zu Latein insgemein Castor, zuweilen auch Fiber genennet / Lutra aber durchaus nicht. Massen Biber und Otter / oder Fisch-Otter wahrhaftig zwey unterschiedliche Thiere seyn.
(Gestalt) Der Biber ist ein Amphibion oder ein solches Thier / das sich so wol auf der Erden / als im Wasser aufzuhalten pfleget; bekleidet mit einem aschenfarben oder schwarzgrauen Feder-linden Fell oder Balg / daran die Haare ewas subtiler und zarter / als eines Dachsen / und über den Rucken hinunter gemeiniglich schwarz seyn / welches am höchsten daran gehalten wird; angesehen der Castor-Balg je schwärzster er ist / je höher er auch geschätzez wird: Der Schwantz aber / der mehrentheils eine gute zwerche Hand breit / dreymal so lang / zwey bis drey Finger dick / und drey / auch zuweilen vier Pfund schwer bist / ist nicht zott oder haaricht / sondern gleichsam schuppigt und ganz glatt / an der Farb bleichgelb / mit Linien und Ringlein artlich gezieret / und also formiret / daß er einem

schuppigten Fisch nicht ungleich siehet: hat runde und kurze Ohren / aber hingegen ziemlich lange und scharffe Zähne / deren zwey oben / und eben so viel unten / der Farb nach fast goldgelb / gar aus dem Maul herfür ragen / mit welchen dieses Thier vornemlich die Fische erhaschet / und gleichsam annagelt / auch sich gegen andere Thiere wehret / und öffters ziemlich dicke Bäumlein und Stauden so glatt damit abbeisset / daß man meynen solte / sie wären mit einer Axt abgehauen worden ; die vördern zwey Füsse / so kurtz und nieder seyn / sehen Hunds-Füssen gleich / die hindern aber Gänß-Füssen / wegen des zwischen den Zähen / dren jeder Fuß fünff hat / ausgespannten Häutleins / die nebst dem Schwantz zum Schwimmen dienen; wie hingegen die vördern Füsse mehr zum lauffen; der übrige Leib ist lang / und bestehet mehrentheils aus dem Bauch. Zwischen denen zweyen hindern Füssen bey der Scham stehen auf beeden Seiten zwey Knöcdlein / so die Geylen oder Hödlein seyn sollen / fast eines Hüner-Eyes groß / die einen fetten und und öligten Safft in sich halten / der immer heraus zu schwitzen pfleget / und das so hoch belobte Castorium machet; wovon hernach ein mehrers
(Unterschied) Die Biber sind meistens einerley Art ; ausser daß immer etliche etwa grösser / etliche kleiner; und dann etliche von kostbarern / etliche von geringern Fellen seyn. Die Seythen theilen sie ab in die schwartze / in die rothe / und in die schwartz-roth gescheckigte / davon sie jene die Herren / diese aber die Knechte nennen.

Was im übrigen für ein Unterschied sey unter einem Biber und Otter / wird aus beeder Beschreibung erhellen.
(Ort) Der Biber giebts absonderlich in Oesterreich / an der Donau / in der Schweitz / an der Aar; wie auch in Burgund / Lotringen / Polen / Rußland / Preussen ; so dann in Italia / bevorab wo sich der Poo in das Meer ergiesset; und endlich in Spanien und Ponto / davon das beste Castorium herkommt / an unterschiedlichen Flüssen / sehr viel. Insbesonderheit aber sollen sich diese Thiere insgemein allezeit lieber in und an solchen Wassern aufhalten / die still lauffen / und einen lettigten Grund haben / als die starck fliessen / und gar schiffreich seyn.
(Natur und Eigenschafft) Des Bibers Natur und Eigenschafft bestehet vornemlich in folgenden: wann er einen Fisch oder ein Stuck Holz anbeisset / so soll ers nicht ehender wieder anlassen / bis er das Krachen von denen Fisch-Gräten / oder von dem Holz gehöret / wann man ihn zu Hauß halten und aufziehen will / so ist er so schamhafft / daß er weder mit dem Urin / noch mit dem Koth das Haus besudeln wird; winßelt immer / wann er eingesperret ist; hat seine Jungen so lieb / daß er sich auch von Ketten und Banden los reissen und denselbigen zulauffen darff; die vördern Füsse braucht er an statt der Hände / und schiebet damit seine Speiß in den Rachen ; ist offt lange Zeit verstopfften Leibs / welches daher kommen mag / entweder weil wenig Galle von der Leber in die Gedärme hinunter steiget /

oder weil er mehrentheils harte Sachen / als Baumrinden / Weiden / Erlen und Aspen-Holz / oder das innere Marck davon frisset; wann er von einem Fluß oder Wasser zu einem Baum / denselbigen abzubeissen / gehet / so nimmt er allezeit einerley Weg dahin / und lässt den Baum nicht ehender wieder an / er habe ihn dann ganz abgebissen / ; siehet unterdessen so offt nach dem Baum in die Höhe / so offt er einen Biß gethan / damit er dem Baum / indeme er fällt / entweichen möge ; zuweilen bauet er sich selbst eine Hütten von Holtz / und zwar bald in die Höhe / bald in die Tiefe / nach Beschaffenheit des Flusses / bey dem er sich aufhält.
(Nutz und Artzney-Gebrauch) Von dem Biber werden verschiedene Stuck so wol in / als ausser der Artzney gebrauchet. Die Lottringer pflegen den Schwantz gebraten und mit Ingwer gewürzt als eine niedliche Speise auf den Tisch zu bringen / und zu essen.
Die Biber-Gail hat in der Medicin den größten Nutzen / welche nichts anders ist / als die / wie schon oben gemeldt / zwischen den hindern Füssen nahe bey der Scham stehende Knödlein / Bälglein / oder die vermeynte Hödlein dieses Thiers / die erstlich heraus geschnitten / darnach aufgehänget / an einem schattigen Ort allgemach gedörret / und also trocken / mit samt ihren Bälg- oder Häutlein / womit sie natürlicher Weiß umhüllet seyn /zum vorfallenden Gebrauch aufbehalten werden.
Ist warm im dritten / und trocken im andern Grad /

verdünnet / öffnet / zertheilet die Blähungen / stärcket die Nerven / ingleichen auch alle Nervenhaffte Theile / und folgends auch vornemlich den Kopff; erquicket die animalischen Geister / widerstehet dem Gifft / macht niessen / lindert den Schmertzen / befördert die monatliche Reinigung des weiblichen Geschlechts und dienet dannenhero vornemlich wider den Schlag / wider das Fraisch / Gicht / Zittern der Glieder / wider die Schlaffsucht / wider den Schwindel / wider allerhand Mutter- Kranckheiten / wider die Colic / und dergleichen / und zwar auf unterschiedliche Weiß so wol innerlich / als äusserlich gebrauchet.
Castorium gepülvert und mit Wein oder einem andern füglichen vehiculo eingenommen / ist gut wider die meinsten Haubt- und Mutter-Kranckheiten / insbesonderheit aber wider die kurtz zuvor namhafft gemachte ; dergleichen Krafft eben auch haben alle andere composita Medicamenta, zu welchen das Castorium kommt / als namentlich Aqua Hirundinum, Aq. hysterica, und apolectic Dispensator Noriberg Elix. Uterinum und dergleichen ; wie nicht weniger alles / was aus dem Castorio praepariret wird / als / das Exiract Castorii, dessen dosis 5. bis 12. Gran seyn; die essentia davon von 3. bis über 7. Tröpflein nicht leicht eingegeben werden / und das destillirte Oel.
So ist auch das Castorium eines Quintleins schwer / wann man es über Nacht in frischem Bronnen-Wasser weichen lässt / darnach das Wasser

davon abseihet / und dasselbe drey Tage hinder einander / nach vorher vorgenommener Purgation und Aderlaß trincken lasset / ein gewisses Mittel für das dreytägige Fieber.
Das Extractum Castorii in Pillen formiret und dieselben verschlucket / begegnet insbesonderheit kräfftiglich dem Schlucken und Hetschen / und lindet die Colic-Schmertzen / bevorab mit ein 2. oder 3. Gran Laudani opiati vermischet.
Eusserlich kan die Biber-Gail folgender Gestalt genutzet werden.
In Weinrauten-Essig zerlassen / an die Schläffe geschmieret / oder unter die Nasen gehalten / und entweder nur darzu gerochen / oder gar in die Nasen hinauf gezogen / stärcket das Hirn / dienet wider die Schlaffsucht / Vergessenheit und wider den Schwindel.
Wider die Lähmung der Zunge ist nichts bessers / als Biber-Gail mit Salve-Wasser zertrieben / und auf der Zunge gehalten.
In Wein aber gesotten / und die lahme oder Gichthaffte Glieder zum öfftern warm damit gebehet und gerieben / bringt dieselbige wieder zu recht ; welches auch das einfache per infusionem gemachte / und das compositum Oleum Castorii thun kan,
Unter die Nasen gehalten ( oder unter die Achsel gelegt / oder in den Nabel geschmiret / hilfft wider das so genannte Auffsteigen der Mutter / wider Mutter-Fraisch / und andere dergleichen hefftige Mutter-Beschwernüsse.
Nicht viel andere Kräfften hat auch das

Biber-Schmaltz / welches mehrentheils äusserlich auf jetztbesagte Weiß wider gemeldte Mutter-Kranckheiten / Glieder-Wehe / Gicht / und Lähmungen gebrauchet zu werden pfleget.
Das Fell oder der Balg wird wider das Zipperlein und Lähmung der Glieder gerühmet / wann man dieselben darein einhüllet / und damit erwärmet.
Biber-Haar mit Bech zu Aschen verbrennet / und denselben hernach mit Lauch-Safft vermischet / giebt eine gewisse und unfehlbare Blutstellung.

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