Wilhelm Geiger: Ostiranische Kultur Im Altertum 1882

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Kategorie: Historische Darstellungen vor 1900

Ostiranische Kultur Im Altertum
Wilhelm Geiger, Erlangen, Verlag von Andreas Deichert 1882

Wilhelm Ludwig Geiger (* 21. Juli 1856 in Nürnberg; † 2. September 1943 in Neubiberg) war ein deutscher Indologe und Iranist.

Seite 158

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Fischotter (Lutra) und Biber (Castor) sind im Awesta ebenfalls bekannt 5). Der letztere, der seinen Namen wegen des braunen Felles erhielt, kommt noch jetzt in Asien in den kleineren Flüssen vor, welche in den Kasisee münden 6). In früherer Zeit wird seine Verbreitung noch eine grössere gewesen sein; die ersten Einwanderer trafen ihn wohl so ziemlich in allen Gewässern an. Vor der Kultur zieht der Biber sich zurück; auch mag er, weil man den Wert seines Felles zu schätzen wusste, von den Jägern eifrig verfolgt und immer mehr ausgerottet worden sein. Aus den Fellen des "vier Junge werfenden" 7) Bibers waren insbesondere die Gewänder der Wassergöttin Ardvi sura gefertigt.


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Am besten ist die weibliche Gewandung und weiblicher Schmuck veranschaulicht durch die Schilderung der Göttin Anahita, welche der ihr gewidmete Jascht enthält:

" Sie steht da, vorschreitend,
Ardvi sura Anahita
In gestalt eines schönen Mädchens
eines kräftigen, wohlgewachsenen,
eines hoch gegürteten, schlanken,
das von vornehmer Abkunft ist;
das sich kleidet in ein kostbares Untergewand,
in ein reich gesticktes, golddurchwirktes.
Opferzweige trägt sie und Ohrgehänge,
anschwellende, vierseitige,
und ein goldenes Geschmeide
die edle Anahita
an ihrem schönen Halse.
Um ihren Leib gürtete sie,
damit wohlgeformt sei ihr Busen
und liebreizend anzuschauen.
Und sie schlang um ihr haupt ein Diadem,
Ardvi sura Anahita,
ein mit hundert Sternen geziertes, goldenes,
ein achtzackiges,
ein bändergeschmücktes, trefflich gearbeitetes.
Obergewänder trägt sie aus Biberfellen
von dreihundert Bibern,
weil ja besonders schön und farbenprächtig
der Biber ist; der unter dem Wasser lebt;
weil sein Fell, wenn zur rechten Zeit zubereitet,
dem Auge erglänzt
wie lauter Gold und Silber.

Wir müssen bei der Schilderung ohne Zweifel manche Uebertreibung in Abrechnung bringen. Im grossen und ganzen aber mag sie doch nicht bloss für jene Göttin passen, sondern auch auf eine vornehme und reiche Iranerin, welche als Modell für die Darstellung des Dichters diente.

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Avesta in der Wikipedia

Anahita in der Wikipedia