Irdische Düfte, himmlische Lust. Kulturgeschichte der Duftstoffe.
von Günther Ohloff, Insel Verlag, Frankfurt 1996
Seite 150
Einer vollständig anderen chemischen Stoffklasse als die Geruchsstoffe von Moschus und Ambra gehören diejenigen von Castoreum an. Bei der Mehrzahl der aufgefundenen flüchtigen Inhaltsstoffe handelt es sich im wesentlichen um chemische Verbindungen, die durch die Nahrungsaufnahme des vegetarischen Bibers bestimmt sind. So stammen die alkylsubstituierten Phenole wie z. B. Propylphenol und Äthylguajakol oder Säuren vom Typ der Benzoe-, Zimt- und Salicylsäure ebenso vom Lignin der benagten Hölzer ab wie das Acetophenon und seine Derivate. Dieses Konglomerat von Verbindungen ist für die dominierende lederartige Note von Bibergeil verantwortlich. Eine äußerst intensive Geruchsstärke erreichen die an Nikotin erinnernden basischen Stoffe, obwohl sie nur 0,2 % der flüchtigen Bestandteile ausmachen. Unter ihnen befinden sich eine Reihe von Nuphar-Alkaloiden vom Typ des Castoramins, die der Biber aus der gelben Seerose als seiner bevorzugten Nahrung aufnimmt. Eine Reihe weiterer geruchsaktiver Stickstoffverbindungen tragen zur Nuancierung der spezifi schen Duftnoten bei, so ein substituiertes Isochinolin-Derivat, das ebenfalls im Burley-Tabak entdeckt wurde, ebenso die Pyrazine, welche man in geröstetem Kaffee oder anderen thermisch behan delten Nahrungsmitteln nachgewiesen hat.
Die bisher 60 entdeckten Duftstoffe reichen allerdings noch nicht aus, um naturidentische Kopie des Bibergeils auf synthetischem Weg anfertigen zu können.