Gottfried Christian Bohns Waarenlager, oder Wörterbuch der Produkten- und Waarenkunde: des wohlerfahrnen Kaufmanns zweyte Abtheilung : [eine alphabetische Beschreibung der Natur- und Kunstprodukte, ..., mit den nothwendigsten naturhistorischen, ... Erläuterungen, für Kaufleute, ... und andere Geschäftsleute]. A - L, Band 1
Verlag Carl Ernst Bohn, Hamburg 1805
Biber (Castor), ein in Rücksicht auf seine eigenthümliche Lebensweise ungemein merkwürdiges, und durch einige schätzbare Produkte für den Handel einiger Länder wigtiges Thier, ist nach seinem Aeussern hinlänglich bekannt, findet sich am häufigsten iin nördlichen Europa und Asien, vorzüglich aber in den stillern, weniger oder gar nicht bewohnten Gegenden von Nordamerika, erträgt zwar kein sehr kaltes, am wenigsten aber ein heißes Klima. In stark bevölkerten Landern lebt er nur einsam mit seiner Familie, ohne den bekannten künstlichen Bau ganzer Biberstaaten, in unterirdischen Höhlen an Flüssen, und heisst dann Erd-, Gruben-, oder einsamer Biber. Nur so kennt man ihn noch in Europa; ziemlich häufig im ehemaligen Polen, wo die Ufer der Teiche und Flüsse, an denen sie sich aufhalten, verpachtet sind, auch wohl in Preußen; seltener noch in nördlichern Ländern, und in Deutschland bloß einzeln an der Elbe und Oder; in Rußland noch im südlichen gemäßigten und kalten Landstrich, in Sibirien aber im gemäßigten und in den südlichen Theilen des kalten Landstrichs vom Ural bis ans Ostmeer in ruhigen waldigen Wildnissen zwar noch in ganzen Kolonien, aber jetzt auch immer seltener, da sie durch die fortdauernd stärker verbreitete Kultur und Jagd, selbst im kalten Landstrich, immer mehr vermindert werden. Das Fell und Haar des Erdbibers ist aber bey weitem nicht so schätzbar, wird durch das Reiben des Körpers beym Graben der Höhle abgeschabt, auch ist das Haar nicht so glatt und glänzend, welches daher von den meisten Europäischen Biberfellen gilt. Den sogenannten gesellschaftlichen Biber, oder ganze Biberkolonien mit ihrem künstlichen Bau, findet man eigentiich nur in Nordamerika, sowohl in den Englischen, als auch in den Republikanischen entlegenern Besitzungen im Innern und in vielen wenig bekannten oder nur von Indiern bewohnten Gegenden, doch auch hie und da in den südlichen Spanisch-Amerikanischen Besitzungen, woher unter andern Cadiz Biberfelle erhält. Das Fell ist kurzhaarig, durchaus tief kastanienbraun, glatt und glänzend selten schwarz, rostfarbig und weiß. Das Fleisch ist von schlechtem Geschmack, wird nur von einigen wilden Völkern und in Klöstern genossen, doch hält man den Schwanz für eine Delikatesse. Den größten Vortheil gewährt dies Thier durch folgende Handeisprodukte: 1) Biberfelle ober Häute. Diese sind 2 bis 3 Fuß lang und gehören des dichten, weichen, ziemlich langen, feinen Haars wegen zu dem kostbarsten Pelzwerk, dessen Preis sich theils nach der Farbe, theils nach der innnern Güte richtet. Am kostbarsten sind die schwarzen; die gewöhnliche Farbe ist braun, doch giebt es auch graue. Die Haare müssen beym Einkauf recht lang, fein, weich wie Seide sein und das Fell muß die Geschmeidigkeit der eben erst geschossenen Hasenfelle haben. Die besten Felle erhält man von dem Blber, der im Winter gefangen ist, weil er dann nicht gehaart hat, daher diese zum schönsten Unterfutter dienen, und frische oder Winterbiber, in Rußiand auch Moskowitische genannt werden, weil man sie gewöhnlich zur Versendung nach Moskau aufbewahrt. Das Fell der im Sommer gefangenen hat viel Haar verloren, und heißt daher trocken oder mager, auch haarlos oder Sommerbiber und wird vorzüglich von Hutmachern, Kürschnern, Täschnern u, a. gebraucht. Fette Felle nennt man solche, die von den Wilden schon zur Kleidung oder zu Bettdecken benutzt sind, von dem Schweiß eine fette Feuchtigkeit an sich gezogen haben, daher besserj als die trocknen sind, und von Kürschnern, besonders von Hütmachern benutzt werden. Die Canadischen Biberfelle hingegen werden in England auf folgende Art eingetheiit: fat winter beaver, fat summer beaver; dry winter beaver, dry summer beaver; old winter beaver, old summer beaver. Den größten Theil der Biberfelle, welcher jetzt in den Handel kömmt, erhält England aus seinen Nordamerikamschen Besitzungen und durch den Handel derselben mit den entfernten Wilden, welcher jährlich auf 100,000 Stück und darüber beträgt, und wovon nicht nur sehr viel nach andern Europäischen Ländern und unmittelbar nach China, sondern auch sogar nach Petersburg für den Russisch - Chinesischen Landhandei in Kjachta geht. Die Nordamerikanischen Freistaaten ziehen aus dem Innern und durch ihren Pelzhandei mit den Wilden ebenfalls viele Biberfelle, wovon mehrere nach Europa sowohl, als auch jetzt unmittelbar nach China gehn, da die Versendung dieser Waare von London nach Canton mit Schwierigkeiten verbunden ist, auf Amerikanischen Schiffen aber das Pelzwerk am letztern Ort schnellen Absatz findet. Die Russischen kommen vorzüglich aus Sibirien, werden aber meistens im Lande oder nach China, seltener nach andern Europäischen Landern verkauft. Im Petersburgischen Handel kommen zwar dem Namen nach Kamtschattische vor; Kamtschatka hat sie indes nicht, wohl aber findet man sie auf einigen Aleutischen Inseln. Die Einfuhr der Kanadischen Biberfelle ist in Rußland vielbeträchtlicher, als die Ausfuhr der eigenen. 1794 erhielt es über 42,000 und 1795 über 49,000 Stück da«von, die erstem zu 332,350 und die letztem zu 469,090 Rubeln nach den Zollangaben. Bey dem Handel mit diesem Pelzwerk in Kjachta ist wenig Gewinn, denn da es über Petersburg eingeführt wird, so ist der Preis der Felle so hoch, daß bei einem so weiten Transport kaum die Kosten und Prozente vergütet werden. Weil indeß die Chinesen dies Pelzwerk sehr lieben, so müssen die Russen es bei ihrem Tausch mit gebrauchen, um die übrige Peizwaare umsetzen zu können. Ueberhaupt benutzt man das Biberfell zu Pelzen, insonderheit Unterfutter, Mützen, Muffen, Verbrämungen u. s. f., auch wohl zum Bewickeln der leidenden Theile gichtischer und podagrischer Kranken; das abgehaarte Fell aber zu allerley Beutlerarbeiten, Pantoffeln, Verschlägen von Koffern, Reisekästchen u. s. f. 2) Biberhaar, Castorhaar, auch Biberwolle genannt. Die Felle haben ein zwiefaches Haar; da» äußere oder obere ist lang, fest, gröber und glänzend, wird daher gesponnen, zu Strümpfen, Handschuhen und dergl. verarbeitet; das untere, welches von jenem bedeckt wird, ist kurz, wollichi, weich und seidene artig, macht das eigentliche Castorhaar aus. und wird insonderheit von den Hutmachern zn den ungemein feinen Hüten, Castorhüten, verbraucht. Das Haar von den Pfoten ist sehr kurz und am schiechtesten; das längste und glänzendste ist am Bauch und Rücken, von 8 oder 10 Linien bis 2 Zoll; kürzer ist das näher am Halse und gegen den Schwanz hin. Wegen des hohen Preises vermischt man beide Arten aber gewöhnlich bey der Verarbeitnng mit anderm feinen Haar. Zu eigentlichen Zeugen, womit man verschiedentlich Versuche gemacht hat, laßt es sich zwar verarbeiten, doch taugt es nicht wohl dazu, weit diese in der Nässe zu sehr zusammeniaufen, die daraus verfertigten Kleider sich ungleich ziehen, und ihre Form verlieren. Fast alles Biberhaar erhält man jetzt aus Amerika, vorzüglich aus England; aus Rußland kömmt dagegen sehr wenig, obwohl ehemals über Archangel viele ausgekämmte Blberwolle zu Slrümpfen, Handschuhen und Hüten ausgeführt ward. Meistens lösen die Fabrikanten das Haar auch seibst von den Fellen, und nehmen lnionderheit solche dazu, die als Pelzwerk nicht gut zu gebrauchen sind. Das LB kostet 9, 10 und mehrere Thaler, und steigt fast fortdauernd im Preise. Das Russische Biberhaar ist etwas kürzer, als das Canadische, aber feiner, daher die Hutmacher beide Arten unter einander mengen. Zu Amsterdam giebt man auf geschnittene fette Biberwolle, und aus gekämmte magere 5 LB Thara und 1 Prozent Skonto für promte Bezahlung. 3) Bibergeil, Castoreum, ist eine zimmtfarbige, fette mit vielen dünnen Häutchen durchwebte Materie, von einem betäubenden Geruch und bittern Geschmack, die sich in 2 Säckchen oder Beuteln von der Größe eines Hühnereyes in der Gegend des Afters unier dem Schwanze neben den Zeugungsgliedern, sowohl beym Männchen, als Weibchen, nur beym letztern etwas kleiner, finden. Frisch wiegen solche Beutel um 4 Unzen, getrocknet aber verlieren sie die Hälfte am Gewigt. Die abgeschnittenen Beutelchen werden gewaschen und im Rauch aufgehangen, damit die Masse trockne und nicht so leicht verderbe; auch hält sie sich dann 7 bis 8 Jahr, ohne merklich an Güte zu verlieren. Man benutzt diese Masse als ein sehr wirksames Arzneymittel in vielen Nervenkrankheiten, hypochondrischen, epileptischen Zufällen u.f.f. Kennzeichen der Güte beym Einkauf sind die dünnen Fäserchen, die man oft mit dem Vergrößerungsglase erkennt, und zarten Häutchen, woraus es besteht; dabev müssen zwey Blasen oder Beutelchen zusammenhangen, und das Ganze muß schwer seyn. Dasjenige, welches sich noch in den Beutelchen befindet, ist besser und unverfälschter, als das schon herausgenommene. Mit den Beuteln geht aber auch oft ein Betrug vor, indem man auf eine künstliche Art sie zu öffnen weiß, und die darinn enthaltene Masse mir einer andern vermischt. Das Amerikanische und Canadische, welches theils über England,theils über Holland und Hamburg in den Handel kömmt, hält man für das schlechteste. Das Polnische, Preußische und Russische, welches über Breslau, Danzig, Königsberg, Petersburg und Archangel ausgeführt wird, ist besser. Rußland versandte ,1783 noch 127 LB davon, seitdem gewöhnlich jährlich nur einige LB, da es sehr gesucht, immer seltener und theurer wird. In Amsterdam giebt man beym Verkauf 1 Prozent Gutgeigt und 1 Prozent Sconto für gute Zahlung. Jedes Thier hat außerdem noch 2 Talg« oder Fettdrüsen, die nicht weniger wiegen und ebenfalls in den Apotheken genutzt werden. —