Meyers Konversationslexikon, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892
Biber (Castor L.), Säugetiergattung aus der Ordnung der Nagetiere, repräsentiert allein die Familie der B. (Castorina) und enthält nur eine Art, den gemeinen B. (Castor Fiber L., s. Tafel "Nagetiere I"). Dieser ist 75-95 cm lang, 30 cm hoch, mit 30 cm langem Schwanz. Der Leib ist plump und stark, der Rücken gewölbt, der Hals kurz und dick; der Kopf kurz und stumpfschnauzig, mit kleinen Augen, kurzen Ohren und kleiner Mundspalte; die kurzen, sehr kräftigen Beine haben fünfzehige Füße, und an den Hinterfüßen sind die Zehen bis an die Krallen durch Schwimmhäute verbunden. Der Schwanz ist abgeplattet, bis 20 cm breit, an der Spitze abgerundet, an den Rändern fast schneidig, beschuppt, grau. Der Pelz ist auf der Oberseite dunkel braungrau, auf der Unterseite heller; doch variiert die Färbung nicht unbedeutend. Der B. war früher sehr verbreitet und bewohnt noch jetzt alle Länder zwischen 33 und 68° nördl. Br., vielfach aber nur sehr vereinzelt. In Deutschland findet er sich noch, geschützt von strengen Jagdgesetzen, an der Elbe, Saale und Mulde zwischen Dessau und Magdeburg, vielleicht auch an der Salzach und an der Mohne in Westfalen; am häufigsten trifft man ihn noch in Österreich, Rußland, Norwegen, viel zahlreicher aber in Mittel- und Nordsibirien, Labrador, Neufundland, Kanada, auch in Maine und Massachusetts, während er in den übrigen Staaten Nordamerikas ebenfalls sehr stark zurückgedrängt ist. (Die Artselbständigkeit des amerikanischen Bibers ist mindestens zweifelhaft.) Der B. lebt an Flüssen und Bächen meist paarweise, in sehr stillen Gegenden auch in kleinern oder größern Familien. Er bewohnt einfache unterirdische Bauten nach Art des Fischotters, größere Gesellschaften aber errichten in der Regel Burgen und Dämme, um das Wasser in einer bestimmten Höhe zu erhalten. Die Zugangsröhren zu den Bauen münden stets unter Wasser, während der Kessel stets über dem Wasser liegt. Die Burgen sind backofenförmige, aus geschältem Holz und Erde errichtete Hügel, welche eine Wohnkammer und Vorratsräume enthalten sollen. Die Dämme sind bisweilen bis 200 m lang, 2-3 m hoch, am Grund 4-6, oben 2-3 m dick und bestehen aus arm- bis schenkeldicken, 1-2 m langen geschälten Hölzern, welche mit dem einen Ende in den Boden eingerammt und durch Zweige, Schilf, Schlamm etc. zu einer Wand verbunden werden. Diese Bauten werden oft viele Hundert Jahre von Bibern benutzt. Meist ist der B. des Nachts thätig, er fällt mit seinen meißelförmigen, weit aus dem Kiefer hervorstehenden Nagezähnen sehr starke Stämme, indem er dieselben ringsum benagt, bis sie stürzen, am liebsten Weiden, Magnolien, Pappeln, Eschen, Birken, doch auch Erlen, Rüstern, Eichen und Seerosenwurzeln. Er entfernt dann die Äste und zerschneidet die Stämme in Pfähle. Die Rinde dient ihm zur Nahrung, und er schleppt für den Winter einen Vorrat an Knüppeln in seine Bauten, um diese dann oft 8-14 Tage lang nicht zu verlassen. Außerdem frißt er auch Blätter, weiche Schößlinge und bisweilen Gras, in der Gefangenschaft Brot, Möhren, Äpfel etc. Der B. bewegt sich sehr plump und ungeschickt und taucht beim Schwimmen den Hinterteil tief ein. Seine Arbeiten führt er mit den Vorderfüßen und der Schnauze, aber nicht, wie gefabelt worden ist, mit dem kellenförmigen Schwanz aus. Er kann fast 2 Minuten unter Wasser verweilen. Gehör und Geruch scheinen besonders entwickelt zu sein, bezüglich der geistigen Fähigkeiten nimmt er innerhalb der Ordnung die höchste Stelle ein. Dem Menschen gegenüber zeigt sich der B. meist zurückhaltend, doch gewöhnt er sich bald an die Gefangenschaft, und jung eingefangene B. können sehr zahm werden. Die Paarung erfolgt je nach dem Wohnort in verschiedenen Monaten, und nach mehrwöchentlicher Tragezeit wirft das Weibchen im trocknen Bau 2-3 Junge. Zu Nymphenburg in Bayern hielten gefangene B. 50 Jahre aus. Man jagt die B. des Pelzes und der Geilsäcke (s. Bibergeil) halber. Das Fleisch ist wohlschmeckend, und der Schwanz gilt als Leckerbissen. In der katholischen Kirche zählt der B. zu den fischähnlichen Tieren, und sein Fleisch darf während der Fasten gegessen werden. Die Eingebornen Nordamerikas schreiben dem B. eine unsterbliche Seele wie dem Menschen zu.
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